Bielefeld-Stieghorst. Seit 1985 wohnt Gordana Schulze mit ihrer Familie in der Siedlung "Am Alten Dreisch". Für ihre rund 46 Quadratmeter große Wohnung zahlt sie 107 Euro warm. Bisher. Denn ihr und vielen anderen Mietern drohen Mieterhöhungen bis zu 140 Prozent. Und das, obwohl die Stadt Bielefeld in einer Vereinbarung von 1989 den Mietern für 25 Jahre Mietzinssicherheit versprach.


Die Schreiben mit der Ankündigung der Mieterhöhung flatterten den etwa 100 betroffenen Familien im Februar ins Haus. Verwaltet werden die Häuser derzeit von der Firma IWG Hamm im Auftrag des holländischen Eigentümers. "Bei einem Treffen im vergangenen Jahr ging es auch schon um eine geplante Mieterhöhung", sagt Sandra Cooper, Sprecherin der Bürgerinitiative. "Damals habe ich schon auf den Vertrag mit der Stadt hingewiesen." Dieser Vertrag ist noch bis Ende 2014 gültig. Trotzdem sollen die Mieten nun erhöht werden. Im Fall von Gordana Schulze von 107 Euro auf 246 Euro warm. "Das ist nicht mehr tragbar", meint sie.


Britta Meininghaus von der IWG versichert die Richtigkeit der Maßnahmen. "Wir wollen lediglich die Kostenmiete anheben." Das sei auch rechtens. Eine Kostenmiete setzt sich aus verschiedenen Posten wie den Verwaltungs- und Instandhaltungskosten zusammen. Dass diese Kosten im Laufe der Jahre steigen würden und somit auch die Miete angepasst werden müsse, sei klar, so Meininghaus. Für weitere Auskünfte verweist sie auf die anwaltliche Vertretung der IWG. Die war gestern allerdings für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Die Bewohner der nach dem Zweiten Weltkrieg für ehemalige Zwangsarbeiter gegründeten Siedlung wollen nun verstärkt in ihrer Bürgerinitiative zusammenarbeiten. "Wir fordern, dass die Mieterhöhungen zurückgenommen werden", erklärt Cooper.
Inzwischen erfahren die Mieter auch Unterstützung durch die lokale Politik. Barbara Schmidt von der Ratsfraktion der Linken will vermitteln. "Die Stadt hat Rechte und Pflichten aufgrund des damals geschlossenen Vertrages und diese müssen auch eingehalten werden." Der Stadt, die immer noch Belegungsrechte hat, gehörten die Wohnungen bis Ende der 80er Jahre. Danach wechselten die Häuser mehrfach den Besitzer.

Die Bürgerinitiative hat sich nun auch an den Mieterbund gewandt. "Uns wurde geraten, gegen die Forderungen vorzugehen und erst einmal nicht zu zahlen", sagt Cooper. Außerdem wollen sie einen Brief an den Oberbürgermeister schreiben. "Wir fühlen uns von den Verantwortlichen nicht gehört und abgewimmelt", so Cooper. "Wir erwarten lediglich, dass Verträge auch eingehalten werden."

Montag, 09. Juli 2012

Bielefeld (WB). Eine Bürgerinitiative aus Stieghorst legt sich mit einer Immobiliengesellschaft an. Grund: Die in der Initiative zusammengeschlossenen Mieter sollen für ihre Wohnungen am Alten Dreisch jetzt Mieterhöhungen um gut 100 Prozent dulden. 104 betroffene Familien lehnen das ab, sie wollen nicht zahlen.

Das beschlossen die Bewohner,die sich zur dritten Versammlung zu dem ihrer Meinung nach unerträglichen Thema in der ukrainischen Kirche am Alten Dreisch eingefunden hatten, nach einer Abstimmung. Muss für eine Drei-Zimmer-Wohnung in einem der Häuser des Viertels mit etwa 50 Quadratmetern Fläche statt der bisherigen 600 Euro Miete 250 Euro mehr bezahlt werden. Enthalten seien darin Umlagen für Verschönerungsmaßnahmen, die sie aber aller selber finanziert hätten, sagt Sandra Cooper, Sprecherin der Initiative. Die Mieten für die Wohnungen seien auf knapp das Doppelte gestiegen. »Wir fordern, dass die Erhöhungen zurückgenommen werden«, verdeutlichte Cooper unter dem Beifall der Anwohner. Cooper wirft dem neuen Besitzer der Wohnungen, die in den 1950er für Flüchtlingsfamilien errichtet wurden und der LEG gehörten, »Vertragsbrüche« vor. Es gelte noch bis 2014 ein grundbuchlich im Jahre 1989 abgesicherter Passus über Regelungen zur Festsetzung der Höhe des Mietzinses und des Belegungsrechtes.

Ausgenommen sind laut dieses Vertrages Kapital- und Bewirtschaftungskosten. Mietersprecherin Sandra Cooper: »Kosten für Wasser und Abwasser. Hausmeisterdienst, Gebäudeversicherung wurden von den Eigentümern ohne weitere Erklärung erhöht, das geht so nicht.«

Die Immobiliengesellschaft nahm, wie Cooper sagt, nur davon Kenntnis, dass die Bewohnerinitiative seit Juli vorigen Jahres einen neuen Vorstand habe. Als Cooper im Februar dieses Jahres im Namen der Mieter Auskunft über das Warum der Mieterhöhungen haben wollte bekam sie Monate später Post von einem Anwaltsbüro aus Hamm, das die Interessen der »Westfalen Grundstücks- und Immobilien GmbH« vertritt. Es sei ihr »kein Auskunftsanspruch« gegenüber dem Vermieter zugestanden worden, heißt es darin.

Darüber hinaus wird Sandra Cooper deutlich gemacht: Die Mandantin möchte klarstellen, dass diese zu keinem Zeitpunkt ihren Mietern Kündigungen angedroht habe. Sie habe lediglich auf den Umstand verwiesen, dass die Erhöhung der Kostenmiete auch ohne Zustimmung des Mieters eintrete und der Mieter – wenn er nicht bezahle – mit der Mietzahlung in Verzug gerate, wodurch ein Kündigungsgrund entstehe. Es würden keine Kündigungen angedroht. Eine aktuelle Stellungnahme zu den Beschuldigungen der Mieter vom Alten Dreisch war am Wochenende von dem Besitzern der Immobilien nicht zu erhalten.

Die Bürgerinitiative vom Alten Dreisch holte sich unterdessen Rat vom Mieterbund. Dieser halte die Mietzinserhöhungen für zu hoch. »Der Verein empfahl uns, dass wir uns wehren und die Erhöhungen nicht bezahlen«.

Um Hilfe baten die Mieter in jüngster Zeit auch die Politik. Doch von den im Bielefelder Stadtrat vertretenen Parteien habe nur die Fraktion der Linken reagiert. Deren Ratsmitglied Barbara Schmidt sagte den Mietern: »Die Stadt Bielefeld hat aus dem damaligen Vertrag Rechte und Pflichten, die Stadt muss hier eingreifen«.

 

Quelle : Westfalen-Blatt

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